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Haushaltsauflösung durch Alsterschlepper im Hamburger Abendblatt

 

28.11.12

Hamburg-Nord

Wohnungsauflösung mit dem “Alsterschlepper”

 

Der Sohn von Joachim Warning ist tot. Der Vater muss eine Wohnung räumen, die voll ist mit Möbeln, Kleidung und Erinnerungen.

 

Von Volker ter Haseborg

Foto: HA/A.Laible

Entruempelung

Hier war das Schlafzimmer des Sohnes von Joachim Warning (links). Er starb im September. Christian Requard (rechts) hat die Wohnung geräumt

 

Hamburg. Alles muss raus. Und das tut weh. Joachim Warning hält einen Moment inne vor dem roten Backsteinhaus, Kraepelinweg 9, Barmbek-Süd. Neben dem silbernen Klingelknopf steht noch der Name “Warning”. Und vor dem Haus parkt auch noch der mintgrüne Polo, tipptopp gepflegt, eine Decke mit Hundepfoten-Muster liegt auf der Rückbank.

 

Joachim Warning geht durch die Haustür ins Treppenhaus, nimmt Stufe für Stufe. Es fällt ihm schwer, der 81-Jährige hat es in den Beinen. Die Wohnung befindet sich im dritten Stock, rechts. Warning atmet schwer. “Ich weiß noch, wie der Jung hier damals eingezogen ist”, sagt er und tritt durch die Wohnungstür in den Flur mit der Kork-Tapete. 1988 war das. Und jetzt ist der Jung tot.

 

Am 1. September ist sein Sohn Hans-Jürgen im Alter von 59 Jahren gestorben. Fast ein Vierteljahr ist vergangen. “Wenn die Kinder vor den Eltern gehen, ist das immer Schiete”, sagt Warning. Die Wohnung, zweieinhalb Zimmer, 65 Quadratmeter, voller Erinnerungen, musste gekündigt werden. Und das Inventar muss raus. Joachim Warning wollte nicht, dass ein Entrümpler kommt und alles wegschmeißt. Hans-Jürgens Leben – zertrümmert, entsorgt. “Es ist doch alles noch gut”, sagt Warning. Er weiß, dass er sich von den Dingen seines Sohnes trennen muss. Er selbst hat in seiner Eppendorfer Wohnung keinen Platz. Das Loslassen fällt dem Vater schwer.

 

Er hat sich umgehört, ob es nicht eine andere Möglichkeit gibt. Und er hat Christian Requard gefunden. Der wirbt auf seiner Internetseite mit einem durchgestrichenen Müllcontainer und damit, dass er “sozial engagiert und respektvoll” sei. Sie kamen ins Geschäft, 1300 Euro soll die soziale Wohnungsauflösung kosten. Als Requard zur Tür hereinkommt, sagt Joachim Warning ihm, dass er Ähnlichkeit habe mit seinem Sohn. Der Tod hat viele Erinnerungen zum Leben erweckt.

 

Dunkel ist es in der Wohnung, das liegt vor allem an den dunklen Möbeln. Es riecht muffig. Joachim Warning geht in die Küche. Damals, als Hans-Jürgen hier einzog, hat der Vater mit ihm die Wohnung tapeziert. Auf der Tapete an der Wand sind Äpfel und Birnen als Muster zu sehen. Warning öffnet den dunkelbraunen Küchenschrank. Auf der Innenseite hat Hans-Jürgen Warning kleine Zettel aufgeklebt. “Das Badezimmer machen u. die Küche. (2 Wochen)” steht da, oder “auch mal durchsaugen”. Auf einem anderen Zettel steht, dass ein halbes Hähnchen 15 Minuten in der Mikrowelle garen muss.

 

Hans-Jürgen Warning war geistig behindert, aber er konnte ein selbstständiges Leben führen. Lesen und Schreiben hat er mühsam und später als alle anderen gelernt. Kochen auch. Sein Vater zeigt auf die Mikrowelle. Die hat sein Sohn von der Firma bekommen, bei der er 24 Jahre gearbeitet hatte. Hans-Jürgen hat Lebensmittelfarben hergestellt, doch dann ging die Firma pleite. Ihm blieb die Mikrowelle. Hans-Jürgen arbeitete bei einer Reinigungsfirma, später als Gärtner, dann wurde er arbeitslos. Joachim Warning kümmerte sich darum, dass sein Sohn Frührentner wurde. Er füllte Formulare aus, ging zu Behörden. Er hat sich gekümmert, das betont er immer wieder. Der plötzliche Tod und das Gewissen. Und die Frage: Habe ich etwas falsch gemacht? Joachim Warning zeigt auf eine Dose Prinzessbohnen, einen Karton Cornflakes und das Glas Wiener Würstchen. “Es ist doch alles noch gut”, sagt er wieder.

 

Lebensmittel müssen aus hygienischen Gründen vernichtet werden. Und auch mit den Möbeln und Geräten ist das so eine Sache; viele sind noch intakt, aber der Wohnungsauflöser Christian Requard findet trotzdem niemanden, der sie haben will. An Möbeln herrscht kein Mangel. Eher noch an Kleidung und Dingen für den Haushalt.

 

Christian Requard, 36, hat Krankenpfleger gelernt und in Ochsenzoll in der geschlossenen Abteilung für besonders schwere Straftäter gearbeitet. Sein Job machte ihm Spaß – doch dann wurde er krank. Wenn er sich in Krankenhäusern aufhält, bekommt er schwere allergische Anfälle. Auf welchen Stoff er allergisch ist, konnte bislang niemand feststellen. Fest steht: Requard kann nicht mehr in seinem alten Beruf arbeiten. Er war lange zu Hause, verdiente Geld damit, übers Internet Bücher aus Haushaltsauflösungen anzukaufen – und weiterzuverkaufen.

 

Um an noch mehr Bücher zu kommen, suchte er sich einen Partner: die Kirche. Die Hauptkirche St. Michaelis gibt den Namen für das Projekt “Bücher für den Michel” – und bekommt einen Teil des Erlöses.

 

Wenn Requard zu Haushaltsauflösungen kam, um die Bücher zu holen, dann fragten ihn die Menschen, ob er nicht auch Verwendung hätte für Möbel, für Fernseher, für Tassen und Teller. Kunden wie Joachim Warning suchen jemanden, der alles für sie macht. Und der die Dinge nicht wegwirft. So entstand die Idee für Requards neuen Job, den er seit einem halben Jahr macht. Er nennt sich “Alsterschlepper“. Das Geschäft läuft gut, sagt er.

 

Die Sache mit den Büchern macht er heute ehrenamtlich. Es gibt Bücherecken im Hamburg Welcome Center, in einem Pflegeheim auf St. Pauli, in zwei Stadtteilschulen und im UKE. Gestiftet von Christian Requard.

 

Es klingelt an der Wohnungstür im Kraepelinweg. Herein kommen Simon Albrecht, Diakon vom Michel, und Carmen Krüger vom Verein Mook Wat. Albrecht ist zuständig für den Secondhandladen “Jack un Büx“, wo gespendete Kleidung günstig verkauft wird. Krüger sammelt Hausrat zusammen für ehemalige Obdachlose und psychisch Kranke, die eine eigene Wohnung bekommen haben.

 

Carmen Krüger geht in die Küche, in der Hans-Jürgen Warning früher seine Mikrowellengerichte zubereitet hat. Aus den Schränken holt sie fünf Töpfe, einen Pürierstab und eine Tupperbox. Sie hat Listen, auf denen steht, was ihre Klienten benötigen. Sie kann nur mitnehmen, was gebraucht wird, ihr Verein hat keine Lagerhalle. Deshalb bleibt auch die Mikrowelle von Hans-Jürgen Warning in der Wohnung. Im Flur findet Krüger ein Paar brauner hoher Lederschuhe, Größe 45. Der Winter steht bevor, Krüger wird schnell einen Abnehmer finden.

 

Sie geht ins Wohnzimmer, auf dem Sofa sitzt Joachim Warning. Er sieht zu, wie sie Gläser aus der Vitrine in einen Umzugskarton räumt. Vorhin hat er noch Witze gemacht, jetzt schweigt er. “Ist das okay für Sie?”, fragt Krüger. “Ja”, sagt Warning. Dann sagt er, dass er sich darüber freut, dass der Hausrat seines Sohnes jetzt anderen eine Freude machen soll. Er schaut auf die Wand mit der beigefarbenen Raufasertapete. Dort hängt noch die Urkunde für die15-jährige Treue, die sein Sohn der Urlaubsregion Presegger See in Kärnten erwiesen hat. Jahrzehntelang haben sie Urlaub in Kärnten gemacht, Vater, Mutter, Hans-Jürgen. Schön war das, sagt der Vater. Als Hans-Jürgen für 25 Jahre Urlaubstreue geehrt wurde, bekam er eine Uhr, sie hing bis vor Kurzem auch an der Wand. Jetzt hängt sie bei Joachim Warning im Wohnzimmer.

 

“Er war ein Eigenbrötler”, sagt Joachim Warning. Hans-Jürgen zog sich in seine Wohnung zurück. Auf seinem Röhrenfernseher schaute er Filme, mit einem Rekorder nahm er sie auf. Im Schrank liegen Hunderte DVDs, sauber beschriftet: “Der Rosenkrieg” zum Beispiel, aufgenommen am 10.10. 2003. Eine Freundin hatte er nicht. “Er hat nichts getrunken. Kein Bier – nichts.” Auch Freunde hat er nicht gehabt. “Von mir hat er das nicht”, sagt der Vater.

 

Er geht nach nebenan, ins Schlafzimmer. Simon Albrecht hat den Kleiderschrank geöffnet. Eine braune Cordhose, ein Hawaiihemd, eine rot-graue Outdoorjacke liegen auf dem Bett. Albrecht stopft alles in Müllsäcke. Nach einer halben Stunde ist der Kleiderschrank leer. Das Innere riecht noch leicht nach Männerschweiß.

 

Joachim Warning betrachtet das Bett seines Sohnes. Auf der Bettdecke sind Sonne, Mond und Sterne zu sehen, drei kleine Kissen liegen am Kopfende: Ein Kissen mit einem Hund drauf, eins mit Alf, eins mit einem Mercedes. Das Bett ist zerwühlt, als hätte bis vor Kurzem jemand darin gelegen.

 

Es fällt ihm schwer, über den 1. September zu sprechen. Hans-Jürgen hatte sich tagelang nicht bei seinen Eltern gemeldet. Joachim Warning hatte einen Schlüssel, fuhr hin, doch der Schlüssel funktionierte nicht, Hans-Jürgens Schlüssel steckte von innen. “Da wusste ich: Es ist aus”, sagt Warning. Die Polizisten sagten ihm, er solle unten vor dem Haus warten. Einer von ihnen kam zurück, sagte, dass etwas passiert sei. Dann durfte der Vater hoch in die Wohnung. Er wollte seinen Jung sehen.

 

Hans-Jürgen Warning lag hier, auf dem Boden seines Schlafzimmers. Er war an einem Zuckerschock gestorben. Die Diabetes hat er von seinem Vater geerbt. Seine Eltern haben ihn auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt.

 

Zwei Tage nach Beginn der Wohnungsauflösung steht Joachim Warning in der leeren Wohnung. Die Sonne scheint durch die Fensterscheiben, die Wohnung wirkt auf einmal sehr hell. Requard und seine Mitarbeiter haben die Schränke ausgeräumt, die Möbel in die Einzelteile zerlegt. Zum Schluss haben sie den Teppich aus der Wohnung gerissen. Ein Siebeneinhalb-Tonner hat das Inventar der Wohnung von Hans-Jürgen Warning zu einem Recyclinghof nach Billwerder gebracht. “Du hast beim Schleppen abgenommen, oder?”, fragt Warning den “Alsterschlepper” Christian Requard. Doch er wird schnell wieder ernst, als er die Holzdielen sieht, die jetzt freiliegen. “Wie damals, als der “Jung eingezogen ist”, sagt Joachim Warning.

 

Gleich wird die Dame von der Hausverwaltung kommen, für die Übergabe. Dann wird Warning die Wohnung, in der sein Sohn 24 Jahre lebte, nie wieder betreten. Seine Frau hätte das hier nicht geschafft, sagt er. Und dann spricht er wieder über Hans-Jürgen. “Er hat so gerne auf seinem Balkon gefrühstückt.” Joachim Warning geht noch einmal auf den Balkon und schaut auf den mintgrünen Polo, der unten vor dem Haus parkt. Sein Sohn war so stolz darauf, dass er als Behinderter den Führerschein machen durfte und ein eigenes Auto hatte. Jetzt soll ein Verwandter den Wagen bekommen, Hans-Jürgen wollte nächstes Jahr mit dem Mann und seiner Frau in den Urlaub nach Dänemark fahren. Christian Requard sagt: “Man soll es auch als befreienden Abschluss sehen.” Warning nickt.

 

Ein paar Tage später hängt Simon Albrecht im Secondhandladen Jack un Büx die rot-graue Outdoorjacke an einen Kleiderständer. 15 Euro soll sie kosten, wer Sozialleistungen bezieht, bekommt sie für die Hälfte. Auch bei Mook Wat wird der Hausrat von Hans-Jürgen Warning verteilt. Den Fernseher gibt Carmen Krüger an Paul, einen ehemaligen Obdachlosen. Die Töpfe und Gläser sind für psychisch kranke Menschen. Carmen Krüger sagt, dass die Bedürftigen keine Fragen stellen nach den Vorbesitzern der Dinge. Sie freuen sich einfach nur darüber.

 

Quelle: http://www.abendblatt.de/hamburg/article111576504/Wohnungsaufloesung-mit-dem-Alsterschlepper.html

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